Samstag, März 25

Keine Angst, ich lebe (noch)

Auch wenn ich die letzte Woche nicht von mir habe hören lassen:

ich llebe noch, mir geht es prächtig, meine Liebste ist letzten Freitag eingetroffen und wir düsen nonstop durch diesen wunderschönen und irgendwie doch nicht so schönen Landstrich.

Bei Gelegenheit werde ich auch mal wieder was ausführlicheres schreiben, aber zur Zeit haben andere Dinge Vorrang...

Donnerstag, März 16

Neuer Checkpoint vor Ramallah

Ramallah, 16. März

Heute morgen auf dem gewohnten Weg ins Büro wurden der nette Typ, der mich mitgenommen hat, als ich am Straßenrand auf ein Taxi gewartet habe und ich plötzlich mit etwas ganz und gar nicht Gewöhnlichem konfrontiert:

Die israelische Armee hat es offensichtlich für nötig gehalten auf der Straße nach Ramallah einen zusätzlichen Checkpoint zu errichten. Inmitten des angeblich unter palästinensischer Hoheit stehendem A-Gebietes standen drei Jeeps und eine handvoll Soldaten, kontrollierten penibel Pässe und durchsuchten Autos.

Dadurch entstand natürlich ein gewaltiger Stau in beide Richtungen, den viele Autofahrer einfach umgingen, indem sie erst ein Stück zurück und dann einen holprigen Feldweg um den Checkpoint herum fuhren.

Mein Fahrer tat es ihnen gleich und wir kamen nach diesem kleinen Umweg auf der anderen Seite des Checkpoints, keine 50 Meter entfernt von den Armeejeeps wieder auf die eigentliche Straße.

Die Soldaten haben das ganze logischerweise gesehen und mitbekommen, dass ein Großteil der Autos nicht über ihren provisorischen Checkpoint, sondern eben außenrum fährt. Dagegen gemacht haben sie aber nichts. Was mal wieder beweist, das es sich dabei um eine Demonstration der Stärke und nicht um eine sicherheitsrelevante Maßnahme handelt.

Mit dem Eindringen in die Stadtgrenzen von Ramallah wollen zeigen, wer hier das eigentliche Sagen hat. Es ist eine kollektive Bestrafung und Demütigung der Bevölkerung, weiter nichts.

Niemand soll mir erzählen es ginge dabei um "Sicherheit" oder darum "Terroristen zu fangen" und "Waffenschmuggel zu unterbinden". Wer was zu verheimlichen oder befürchten hätte, würde - wie hunderte von anderen - einfach außenrum fahren und kein Soldat würde in seinen Pass oder Kofferraum gucken.

Es ist wirklich erstaunlich, was hier alles als Sicherheitsmaßnahmen verkauft wird. Es ist absolute Augenwischerei und nicht zuletzt auch mächtig Wahlkampfgetöse, denn am 28. März wird in Israel gewählt. Seit der Militäraktion in Jericho vorgestern und den verstärkten Maßnahmen der letzen Tage sind Olmerts Umfragewerte in die Höhe geschossen und alle Partein, sogar der Likud unterstützen in plötzlich. Und weil sich die Wählerschaft in Zeiten von Krisen immer hinter den Machthabern versammeln, hat der Verteidigungsminister Mofaz heute angekündigt, die Armee werde ihre Aktionen noch verstärken.


Desweitern hat die Luftwaffe heute Gaza bombardiert, Soldaten sind in Jenin einmarschiert und in einem Dorf in der Nähe von Ramallah wurde ein 12 jähriger Junge erschossen und drei weitere Kinder verletzt.

Tscha, wie man sieht: ein ganz normaler Tag in einem besetzten Land, dessen Besatzungsmacht gerade im Wahlkampf ist. Der Likud hat übrigens vor Kurzem versucht die Vereinigte arabische Liste von der Wahl auszuschließen, weil sie "die jüdische Identiät Israels in Frage stellt".

Ja heilige Schieße! So was aber auch! Was fällt denen auch ein, einfach mal eben so keine jüdische Politik, sondern einfach nur Politik machen zu wollen!

Mal im Ernst: Wie kann man von einer arabisch-israelischen Partei verlangen, sie solle den jüdischen Charakter des Staates respektieren. Es gibt nun mal 20% Araber im Kernland Israel. Diese Tatsache muss man entweder anerkennen oder die Demokratie abschaffen. Eins von beiden. Aber den jüdischen Charakter bewahren und gleichzeitig demokratisch sein, dass klappt irgendwie nicht...

Das Gericht hat diesem absurden Antrag zum Glück nicht stattgegeben, die Liste darf an den Wahlen teilnehmen und die 1,3 Millionen Palästinenser mit israelischem Pass haben die Möglichkeit, eine Partei zu wählen, die ihre Interessen vertritt. Und man bekommt man einen guten Eindruck vom Demokratieverständis des Likud Blockes...


Soviel für heute, die Lage in Ramallah ist absolut entspannt, der Generalstreik ist aufgehoben, alle Entführten Ausländer sind frei und ich fahr jetzt nach Hause, mal gucken ob die Herren in Grün immer noch da sind...

Neulich habe ich mich übrigens das erste mal länger und ausführlich mit drei israelischen Soldaten unterhalten. Abends, am Huwwara-Checkpoint am südlichen Ausgang von Nablus. Die waren total geschockt mich da zu sehen. Was ich in Nablus gemacht hätte, ob ich wirklich durch das Balata-Flüchtlingslager gefahren sei, warum ich überhaupt hier bin, anstatt mir Tel Aviv oder Jerusalem anzuschauen und und und...

Ich habe ihnen gesagt, dass ich schon zig mal in Jerusalem war und ich mir nun Nablus anschaun wollte. Die Leute dort sind extrem nett und gastfreundlich, ich wurde mehrmals zum Tee eingeladen, bin durch die Altstadt geschlendert, hab ein paar Sachen gekauft, war oben auf dem Berg, wo die samariterischen Juden ihr Heiligtum haben. Und das alles ohne erschossen zu werden.

Ob sie denn schon mal da waren und sich die Stadt angeschaut haben?

NEIN! DA WIMMELT ES VOR TERRORISTEN!

Ich hab sie unter anderem gefragt, wie der Job am Checkpoint denn so ist und sie meinten, man gewöhnt sich dran, mit der Zeit bekäme man ein Gespür dafür, wer gefährlich ist und wer nicht. Erst heute hätten sie einen Jungen mit einem Taschenmesser erwischt.

Ganz schön gefährlich für eine Gruppe von Soldaten mit Helmen, kugelsicheren Westen und stets schußbereiter M16...




Leseempfehlung:

Soldaten im Wahlkampf

Mittwoch, März 15

Die Mauern von Jericho sind eingestürzt...

Ramallah, 15. März

Gestern abend bin ich dann doch noch los, um mit dem Sammeltaxi nach Hause zu fahren. Wachsamen Blickes und schnellen Schrittes durch die Straßen gelaufen. Überall standen Gruppen von PFLP-Anhängern mit den rot-weißen Tüchern, die Geschäfte waren allesamt geschlossen, da gestern Nachmittag ein Generalstreik ausgerufen wurde, an dem sich heute auch, na ich würd ma sagen 98 % der Läden beteiligen.

Im Taxi habe ich mich sehr nett mit den Mitfahrern unterhalten, von Entführungen in Ramallah hatten sie nichts gehört, die Geschichte hat sich aber heute im Laufe des Tages auch als Ente entpuppt. Alle haben mir versichert, dass Ausländer in Ramallah sicher seien, da alle wüssten, dass die Ausländer, die hier leben und arbeiten Freunde des palästinensischen Volkes seien.

Na hoffentlich wissen das auch wirklich alle...


Wahlplakat der PFLP


Aber man muss die Sache mal ganz nüchtern betrachten: Es gibt ca. 3,5 Millionen Palästinenser. Ein Dutzend von denen hält es für angebracht, als Reaktion auf die israelische Aggression Ausländer zu entführen. Die Wahrscheinlichkeit das einer von diesen Vollspacken mit mir im Taxi sitzt oder mir auf dem Weg dorthin begegnet ist also relativ gering.

Heute ist die Lage wieder relativ ruhig, vor allen offiziellen Einrichtungen und an den zentralen Plätzen in Ramallah lungern Sicherheitskräfte rum. Fünf der neun Ausländer, die gestern entführt worden sind, wurden schon gestern abend wieder freigelassen. Die anderen vier werden im Laufe des Tages zurück erwartet. Eine der Geiseln, ein US-amerikanischer Lehrer, der in Dschenin arbeitet, wurde gestern vor TV-Kameras gezerrt und musste anti-amerikanische Parolen vorlesen. Dann haben sie ihn wieder freigelassen. Von einer wirklich akuten Gefährdung für Leib und Leben kann also nicht die Rede sein.

Ganz anders sieht die politische Lage in Israel und Palästina aus:

Die Hamas hat angekündigt, als Reaktion auf die Belagerung des Gefängnisses israelische Soldaten zu entführen, um sie gegen inhaftierte Palästinenser freizupressen.
(Nur zur Information: Anzahl von Palästinensern in israelischen Knästen: 9184 Anzahl von Israelis in palästinensischen Knästen: null Quelle)

Die PFLP hat angekündigt "Israel werde einen hohen Preis für diese Aktion bezahlen" und sie werden "den Boden unter den Füßen der Israelis in Brand zu setzen".

Die Abu Ali Mustafa Brigaden, der bewaffnete Arm der PFLP ließ verlauten, dass falls ihrem nun von den Israelis gefangengehaltenem Generalsekretär Ahmed Saadat irgendetwas zustoßen sollte, würden sie in der selben Art und Weise zurückschlagen, wie sie es nach der Ermordung von Saadats Vorgänger getan haben. Damals, am 21. Oktober 2001, hatte ein Kommando der PFLP den israelischen Tourismusminister Rehavam Zeevi hingerichtet (siehe voheriger Eintrag).

Eins muss man der PFLP lassen:
Sie hat die Plakate mit dem coolsten Design...



Gleichzeitig kam vom israelischen Verteidigungsminister Shaul Mofaz die unverblümte Aussage, die ganze Aktion der Belagerung und Zerstörung des Gefängnisses in Jericho und die Festnahme der sechs Häftlinge sei bereits seit einer Woche geplant worden und mit den Engländern und Amerikanern abgesprochen gewesen. Was die Wut der Palästinenser auf diese und andere Ausländer nicht gerade mindern dürfte...

Außerdem telefonierte er heute mit dem Chef der israelischen Streitkräfte, Dan Halutz und mit Avi Diskin, dem Leiter des israelischen Sicherheitsdienstes Shabak und gratulierte ihnen zu "der erfolgreichen Operation, die keinerlei Verluste unter unseren Soldaten gefordert hat". Sehr zynisch angesichts der Toten und Verletzten Häftlingen und Gefängniswärter, die mit dem Attentat, das Ahmed Saadat geplant haben soll ja nun wirklich nichts am Hut hatten. Aber es waren ja nur Palästinser, alles halb so wild!



Der einzige Gewinner der ganzen Aktion gestern ist Ehud Olmert, amtierender Ministerpräsident Israels. Nachdem er sich in letzter Zeit immer wieder anhören musste, er würde gegenüber den Palästinensern eine zu softe Linie fahren, so sind nach der gestrigen Aktion seine Umfragewerte prompt angestiegen und alle Partein unterstützen ihn.

Man merkt eben, dass in zwei Wochen Wahlen sind. Schade nur, dass für so eine Kadima-Wahlkampagne 3 Menschen sterben mussten, 25 verletzt wurden (5 von ihnen schwer) und die gesamte Region im erneuten Chaos zu versinken droht.

Aber ein Flächenbrand in den palästinensischen Gebieten (oder vielleicht ein oder zwei gerade noch verhinderte Attentate) kommt den Politikern der israelischen Rechten (und rechts sind bis auf Teile der Arbeitspartei alle Parteien) nur gelegen: Sie können die Angst in der eigenen Bevölkerung schüren, werden so wiedergewählt und können außerdem gegenüber der internationalen Gemeinschaft mit Fug und Recht behaupten, es gäbe ja gar keinen Verhandlungspartner für einen Frieden, deshalb sei man gezwungen unilaterale Schritte zu unternehmen. Nach dem Motto: "Seht her, Hamas-Regierung, Chaos, Gewalt, Terror - wir können ja gar nicht anders, als mit voller Härte zuzuschlagen!"

Dass man mit jeder Hinrichtung, mit jeder Razzia, mit jedem Luftangriff, oder, wie es die Luftwaffe seit neuestem Nacht für Nacht über dem Gaza-Streifen praktiziert, mit sonic booms (Knall nach Durchbrechen der Schallmauer. Angewandt, um die Bevölkerung des Gaza-Streifens wach zu halten - innovative Methode der kollektiven Bestrafung!) mehr Feinde schafft und neue Terroristen heranzuchtet, das haben sie auch nach 38 Jahren der Besatzung noch nicht kapiert. Aber wahrscheinlich haben sie es schon kapiert, machen aber trotzdem weiter, schließlich bringt Angst und Unsicherheit Wählerstimmen und schaftt unzählige Arbeitsplätze im Sicherheitsbereich.



Eine Verurteilung der Militäraktion gestern in Jericho durch den UN-Sicherheitsrat wird aller Vorraussicht nach am Veto der USA scheitern. Womit mal wieder bewiesen wäre, dass sich Israel alles erlauben kann, da der große Bruder stets seine schützende Hand über es hält.

Insofern habe ich durchaus Verständnis für die Aktionen der Palästinenser, auch wenn ich selbst dadurch gefährdet bin. (Nein, das ist kein Stockholm-Syndrom...) Was sollen sie denn machen, um Druck auszuüben? Sie haben keine Armee, keine Panzer, keine Kampfjets und Helikopter mit denen sie der israelischen Armee auf gleicher Augenhöhe begegnen könnten. Sie können nicht einfach mit Bulldozern anrücken, ein israelisches Gefängnis in die Luft jagen und ihre Gefangenen befreien. Das Traurige ist nur, dass egal was sie machen, ob sie jetzt Soldaten entführen, Ausländer kidnappen, oder sonstirgendwas machen, sie werden in diesem Konflikt immer den kürzeren ziehen, immer untergebuttert werden und in der Weltöffentlichkeit immer als die Bösen dastehen.

Dabei ist das eigentliche Ziel aller Palästinenser, nämlich der Kampf um nationale Unabhängigkeit, um ein Ende der Besatzung und Besiedelung ihres Landes durch Israel absolut legitim. Nur leider fehlt es an Methoden und Möglichkeiten, diese Absichten der Weltöffentlichkeit zu vermitteln und zu erklären.

Ich sehe schon, ich werde gebraucht! Ich geh jetzt mal rüber zum Präsidentenbüro und biete meine Dienste als Berater für Öffentlichkeitsarbeit an. Als zukünftiger Minister für International Public Relations krieg ich dann bestimmt auch so einen tollen schwarzen Schreibtisch mit integriertem Füllfederhalterhalter, wie ihn der Informationsminister hat...




Links:

Interview mit Ahmed Saadat

Panikmache und Wahlkampf in Israel

International Middle East Media Centre

Ha´aretz Artikel zum US Veto

Guardian Artikel über die sonic booms

Dienstag, März 14

Militäraktion in Jericho

Ramallah, 14. März 2006

Am heutigen jüdischen Feiertag des Purim-Festes sind israelische Truppen früh morgens in die autonome Stadt Jericho eingerückt, haben das Gefängnis der Stadt mit 20 Panzern umstellt um den dort inhaftierten Ahmed Saadat und vier weiter Häftlinge in ein israelisches Gefängniss zu verlegen.


Saadat ist der Chef der marxistisch orientierten PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas) und war der Planer der Ermordung des israelischen Tourismusministers Rehavam Ze'evi durch ein Kommando der PFLP in einem Hotel in Ost-Jerusalem 2001.

Der Hardliner Ze´evi, der nur wenige Tage vor seiner Ermordung zum Minister ernannt wurde, hatte sich stets mit markigen Sprüchen wie "Die Araber sind das Krebsgeschwür im Volkskörper Israels!" hervorgehoben. (Was die von Ze´evi gegründete Rechtspartei fordert, kann jeder auf deren Internetseite nachlesen...) Die Ermordung Ze'evis wurde von der PFLP als Vergeltung für die gezielte Tötung ihres Anführers Abu Ali Mustafa angesehen.

Saadat und die vier anderen Aktivisten wurden auf Druck Israels von der PNA Anfang 2002 verhaftet und in Jericho inhaftiert. Sie standen unter Beobachtung britischer und US-amerikanischer Menschenrechtsorganisationen, die darüber wachen sollten, dass die Häftlinge nicht misshandelt werden. Die Internationalen wurden heute früh vor der geplanten Militäraktion darüber informiert und haben das Gefängnis verlassen, was den Weg für die Militäraktion frei gab.

Bei Schießereien gab es laut auf palästinensischer Seite 2 Tote und 8 Verletzte, von israelischen Casualties ist nichts bekannt.

Die versuchte "Verlegung" der politischen Gefangenen in ein israelisches Gefängnis erfolgt just zu dem Zeitpunkt, an dem innerhalb der PA darüber diskutiert wird Saadat eventuell vorzeitig zu entlassen. Bei den Wahlen in den palästinensischen Gebieten am 25. Januar wurde Saadat erstmalig ins Parlament gewählt.

Wegen dieser Aktion ist die Lage heute leicht angespannt, das israelische Militär hat flying Checkpoints rund um Ramallah erichtet, auf der Al-Irsal Street im Zentrum Ramallahs wurden gegen Mittag APCs (Armored Personal Carriers - gepanzerte Truppentransporter) gesehen, auf den Hügeln rings um die Stadt sind Panzer aufgefahren.

Momentan finden in Ramallah und in anderen Städten der Westbank Demonstrationen gegen die Militäraktion statt, hoffen wir, das es ruhig bleibt...


UPDATE: Im Radio wird gerade gemeldet, die Panzer hätten Ramallah eingekreist.


Nachtrag um 19 Uhr: Die PFLP-Demo im Stadtzentrum bot alles, was eine zünftige linksradikale Demo ausmacht: Menschenmassen, rote Fahnen, flammende Reden durch ein Megaphon, brennende Autoreifen und hin und wieder eine Salve Luftschüsse aus der Kalaschnikov.




An den Checkpoints war alles in erhöhter Alarmbereitschaft, noch strengere Kontrollen als sonst, Armeejeeps auch auf der palästinensischen Seite der Mauer.

Laut Al-Jazeera und BBC hat die israelisch Armee das Gefängniss mit Panzern und Helikoptern beschossen. 182 Gefangene und Wärter haben sich ergeben.


Ahmed Saadat und 16 weitere Häftlinge weigern sich, das Gefängnis zu verlassen und sich zu ergeben. In einem telefonischem Interview erklärte Saadat, er werde sich nicht ergeben, sondern lieber als Märtyrer sterben.

Die israelische Armee hat den Zugang zum Krankenhaus von Jericho blockiert und lässt keine Verwundeten hindurch. Bulldozer haben damit begonnen, die Trümmer des Gefängnisses einzureißen.


Als Reaktion auf die Militäraktion haben bewaffnete Gruppen im Gaza-Streifen und in Ramallah das British Council angegriffen und in Brand gesetzt. Auch eine britische Bank in Ramallah wurde angegriffen und komplett demoliert. Palästinensische Sicherheitskräfte haben die Angriffe gestoppt und das Innenministerium hat den Polizisten Schießbefehl erteilt, um ausländische Einrichtungen gegen Angreifer zu schützen.

Außerdem wurden im Gaza-Streifen mindestens vier Ausländer entführt. In einer Rundmail an alle Ausländer in den palästinensischen Gebieten wird vor der Gefahr weiterer Entführungen gewarnt und von allen Bewegungen innerhalb der West Bank und des Gaza-Streifens dringend abgeraten.

Gerade eben habe ich von meinem deutschen Mitbewohner einen Anruf bekommen und erfahren, das auch in Ramallah Ausländer entführt worden sind und es wurde mir DRINGENDS davon abgeraten mit dem Taxi nach Hause zu fahren. Jetzt mal gucken was ich mache...



Mehr zum Thema:

http://www.haaretz.com/hasen/spages/694059.html

http://www.haaretz.com/hasen/spages/694068.html

http://www.juedische.at/TCgi/_v2/TCgi.cgi?target=home&Param_Kat=3&Param_RB=5&Param_Red=5181

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,405868,00.html

http://aljazeera.com/me.asp?service_ID=10872

Montag, März 13

Klagemauer und 8 Meter hohe Betonmauer mit Elektrozaun

Ramallah, 11. März

Nachdem ich die letzten paar Tage einen regelrechten Interviewmarathon hingelegt habe, habe ich mir heute einen freien Tag gegönnt und bin mal wieder nach Jerusalem gefahren.

Am Checkpoint Qalandya wird seit ungefähr einer Woche kräftig gebaut. Es sieht ganz danach aus, als würde ein neuer Übergang für die Autos gebaut. Bisher gibt es in jede Richtung nur eine Spur und die Autos müssen stundenlang warten. Die Bauarbeiten werden (natürlich) von Palästinensern durchgeführt. Deren Löhne sind eben deutlich geringer als die von israelischen Bauarbeitern.

So kommt es zu der paradoxen Situation, dass Palästinenser, um in der wirtschaftlich miserablen Lage, in der sie sich befinden wenigstens etwas Geld zu verdienen, die Checkpoints und die Mauer bauen, die sie selbst einsperren. Nebendran sitzen einige Soldaten und bewachen die Bauarbeiter.



Ich musste spontan an die Street-Gangs von Häftlingen in den Südstaaten denken: Eine große Anzahl Menschen der „niederen“ Ethnie führen schwere körperliche Arbeit aus, während eine Hand voll Menschen der herrschenden Ethnie sie mit Waffen im Anschlag beaufsichtigen und aufpassen, dass auch ja keiner aus der Reihe tanzt.

Wobei die Aufgabe des Bewachen offensichtlich nur von äthiopischen Juden ausgeführt wird. Denn selbst innerhalb der israelischen Gesellschaft gibt es eine Hierarchie zwischen Ashkenazi (Juden europäischer Herkunft), Sepharden (Juden orientalischer Herkunft) und eben den schwarzen Juden aus Äthiopien. Viktor, ein norwegischer Student an der Bir Zeit Universität, meinte neulich, in den israelischen Personalausweisen sei diese Zugehörigkeit vermerkt oder irgendwie codiert. Ob das stimmt, weiß ich nicht, ich konnte es noch nicht nachprüfen. Falls es jemand weiß, bitte mailen.

Jerusalem am Sonntag ist fast so verrückt wie am Freitag. Da war ich abends in der Altstadt und bin auf Anraten einer (jüdischen) Freundin zur Klagemauer gegangen. „Du musst mal am Freitag Abend an die Klagemauer gehen. Das ist wie im Zoo!“ hatte sie mir gesagt und ihre Beschreibung trifft es absolut auf den Punkt.

Freitag Abend, mit Einsetzen der Dämmerung beginnt der Sabbat. Da der jüdische Kalender ist – wie der islamische übrigens auch – ein lunarer Kalender ist, daher gehört die Nacht bereits zum folgenden Tag. Sobald es am Freitag dunkel wird beginnt also der Sabbat und hunderte Gläubige versammeln sich an der Klagemauer.

Drumherum, abgetrennt durch einen Zaun, stehe hunderte von Touristen und begaffen das Spektakel. Die Orthodoxen beten mit dem Oberkörper wippend an der Mauer, rezitieren aus der Thora und sehen in ihrer schwarzen Tracht mit den weißen Hemden aus wie eine Pinguinkolonie.



Aber das eigentlich faszinierende sind die Gläubigen, die nicht ganz so stocksteif und ernst sind. Die nämlich tanzen laut singend, die Arme auf die Schultern der Nebenmänner gelegt im Kreis, der sich immer wieder weitet und verengt. Es herrscht eine ausgelassene und fröhliche Atmosphäre, hinter der sich jeder Gospelchor verstecken kann.


Ein Gottesdienst, der Spaß macht, kein steifes, dogmatisches, diszipliniertes Rumgesitze auf harten Holzbänken.. Und wer grade keine Kippa dabei hat, setzt eben eine Baseballmütze oder die Kapuze seines Kapuzenpullis auf.

Aber zurück zum Sonntag: Im Christenviertel riecht es nach Weihrauch und auf der Via Dolorosa wimmelt es vor Christen-Touristen, die die Kreuzstationen abklappern, vor jedem eventuell heiligen Stein stehen bleiben, ihn berühren oder gar küssen (igitt!) und sich dabei gegenseitig fotografieren. Leider habe ich keine masochistischen Katholiken gesehen, die Holzkreuze auf dem Buckel durch die Stadt tragen, aber ich habe zumindest die Kreuze gesehen.



Die Händler in der Altstadt sind wie immer extrem aufdringlich, von überall tönt es „Welcome! Come into my shop, I got beautiful Kitsch/Ramsch/Nippes. Make you special good price me friend!“ Falls ich darauf überhaupt reagiere sage ich meistens: Ana misch sa´iha! - Ich bin kein Tourist. Das wirkt Wunder.

Nicht alle Händler sind so relaxt wie der hier

An der Klagemauer war ich auch wieder, ich bin eigentlich jedes mal dort, wenn ich in Jerusalem bin. Es ist einfach faszinierend, an diesem heiligen Ort zu sein und dem Treiben zu zuschauen.



Außerdem gibt es an der Klagemauer die einzigen sauberen Klos in ganz Jerusalem, die dazu noch gratis sind. Und von wem werden die Klos am höchsten jüdischem Heiligtum geputzt? Von Palästinensern.

Auf dem Weg zur Klagemauer bin ich durch das slumartige arabische Viertel östlich des Ölberges gelaufen, wo ich einige leicht aggressive Begegnungen mit Kindern und Halbstarken hatte, die mich entweder für einen Siedler, für einen Dänen oder einfach nur für jemanden der hier nichts zu suchen hat gehalten haben. Mit etwas small-talk und dem Erwähnen meiner Staatsbürgerschaft wurden diese Begegnungen aber schnell zu einem fröhlichen Aufzählen sämtlicher Bundesliga-Spieler und gemeinsamem Fußballspielen in den Engen Gassen.



Auf der anderen Seite des Hanges ist der Garten Davids. Dort soll König David sich zum Chillen hinbegeben haben, wenn er vom Regieren die Schnauze voll hatte. Zur Zeit werden dort weitere archäologische Ausgrabungen gemacht und, wie könnte es anders sein, die ersten Siedler haben dort Häuser bezogen, um möglichst nah an der ach-so-furchtbar-bedeutsamen Stelle zu wohnen.

Die Stadtverwaltung von Jerusalem hat in dem Gebiet 88 Häuser, in denen arabische Familien wohnen, zum Abriss frei gegeben, um einen große touristen-freundlichen archäologischen Erlebnispark (Gan Hamelech – Königsgarten) zu errichten. Die Abrisspläne erfolgen unter dem Vorwand, die Häuser seien illegal erbaut worden. (Was vollkommen richtig ist, denn Araber in Ost-Jerusalem erhalten seit 1968 keine Baugenehmigungen...)

Einer der rund 1000 vom Abriss betroffener Bewohner hat das Dilemma so ausgedrückt: „König David, der König der Juden, der Prophet der Moslems ging zum Ruhe finden auch nach da oben, zur Jaffa Road in West-Jerusalem; warum zerstören sie da keine Häuser? Der König starb, der Prophet starb, wir aber leben heute.“ Die Frage ist, was wichtiger ist: Ein bedeutender Mensch, der vor 3000 Jahren lebte, oder 1000 unbedeutende Menschen, die heute leben?

Anstatt auf direktem Wege zurück nach Ramallah zu fahren, habe ich einen Umweg über Abu Dis gemacht. Abu Dis ist ein arabischer Vorort süd-östlich von Jerusalem, der aber praktisch mit der Stadt zusammengewachsen ist. Hier verläuft die Mauer direkt zwischen den Häusern. Eine Straßenseite ist somit auf israelischer, die andere auf palästinensischer Seite.



Noch gibt es einen Übergang, an dem man über die Betonblöcke rüberklettern kann.

Dort habe ich mich lange mit zwei Mädels unterhalten, die auch gerade rüberkletterten. Beide wohnen in Ost-Jerusalem, haben also israelische Pässe, was ihnen zumindest mehr Bewegungsfreiheit ermöglicht als ihren Freundinnen, die auf der anderen Seite der Mauer wohnen. Beide besuchen eine Fachhochschule für medizinische Berufe in Abu Dis und klettern jeden Tag mehrmals über die schmale Passage in der Mauer.


In den nächsten paar Wochen wird aber auch diese Lücke geschlossen werden und dann werden sie mit dem Bus eine 10 Kilometer weite Strecke über den nächstgelegenen Checkpoint fahren müssen um auf die andere Straßenseite zu gelangen. Freunde, Verwandte, die Schule, das Krankenhaus, die eigentlich nur 5 Minuten Fußmarsch entfernt sind rücken dann in weite Ferne.


Noch ist die Trennungsmauer nicht komplett fertig gestellt, es gibt unzählige Durchschlupfstellen und weite Strecken, an denen keinerlei Absperrungen vorhanden sind. Dennoch argumentieren die Befürworter der Mauer (oder "Sicherheitszaun", wie sie sie nennen) damit, dass die Zahl der Attentate in Israel seit Bau der Mauer deutlich zurück gegangen sei. Das ist vollkommen richtig.

Nur bin ich Sozialwissenschaftler genug, um mich zu fragen, ob diese beiden Variablen denn wirklich zusammenhängen. Sicherlich schreckt die Mauer ab und erschwert den Zugang nach Israel. Aber wer durchkommen will, der kommt auch durch. Die Attentate sind, soweit ich weiß, stark zurückgegangen, seit die Intifada zum Erliegen kam und die Hamas ihren einseitigen Waffenstillstand verkündet hat, weil sie ja als seriöse politische Kraft an den Wahlen teilnehmen wollte.

Mit Sicherheit bringt die Mauer Sicherheit. Zwar keine 100%ige, aber immerhin. Wenn die Mauer nur wegen der vermeintlichen Sicherheit gebaut werden würde und sich an der grünen Linie orientieren würde, wäre ja auch gar nichts dagegen einzuwenden. Die traurige Realität aber ist, dass die Mauer dazu dient die beiden Ethnien in diesem Land voneinander zu trennen, um eine, wie Ehud Olmert sagte "stabile und dauerhafte jüdische Bevölkerungsmehrheit zu sichern" und dabei unzählige palästinensische Städte und Dörfer zu Enklaven macht, die Bewohner von ihrer Infrastruktur, ihren Feldern und ihrenm sozialem Umfeld abschneidet.

Heute morgen habe ich auf dem Frühstückstisch ein Buch mit Bibelsprüchen entdeckt, welches meinen schweizer Mitbewohnern gehört. Beim Durchblättern fand ich zufällig einen Bibelvers, der, wie ich finde, sehr passend für die zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit ist, die hier in dieser Region, die von Besatzung, Unterdrückung, Demütigung und ethnischer Trennung gekennzeichnet ist. Der Vers stammt aus dem zweiten Buch Mose, also aus dem alten Testament, welches die Grundlage für die Thora bildet. Der Vers lautet:

„Die Fremdlinge sollt ihr nicht unterdrücken; denn ihr wisst um der Fremdlinge Herz, weil auch ihr Fremdlinge in Ägyptenland gewesen seid.“ 2. Mose 23,9

Da steht nicht: Weil ihr in Ägypten wie der letzte Dreck behandelt worden seid, sollt ihr die Fremdlinge auch wie den letzten Dreck behandeln. Vielleicht sollte man dass mal ein paar israelischen Politikern zur Kenntnissnahme zuschicken.

Ich jedenfalls habe mich wieder nach Hause begeben und war auf dem Heimweg überrascht, wie viel Stacheldraht in diesem Land doch herumliegen und bestimmte Areale für die Bevölkerung unzugänglich machen.

Donnerstag, März 9

Zeitumstellung

Wie ich vor einigen Tagen erfahren habe, wird in Israel am Freitag, dem 31. März um 2 Uhr morgens die Uhr eine Stunde vorgestellt.

Sommerzeit eben. Das Problem ist: nur in Israel. Palästina weigert sich, die Sommerzeit mitzumachen. Ob aus logischen Gründen oder nur aus Trotz ist mir bis jetzt nicht ganz klar geworden. Jedenfalls wird dann Ost-Jerusalem in einer anderen Zeitzone sein, als das angrenzende Bethlehem oder Abu Dis.

Irgendwie symptomatisch für diese Region...

Zum Glück nehmen es die Palästinenser mit der Uhrzeit nicht so genau, sonst könnte das ja zu wirklichem Chaos führen.

Mittwoch, März 8

Tour durch Hebron

Ramallah, 8. März 2006


Vorgestern habe ich an einer von breaking the silence organisierten Tour durch Hebron teilgenommen. Breaking the silence ist eine Organisation von ehemaligen Soldaten, die das gesellschaftliche Schweigen brechen und über ihre Erlebnisse während dem Dienst in den besetzten Gebieten berichten. Beispielsweise darüber, wie sie mit Mörsergranaten auf gut Glück in dicht bebaute Wohngebiete geschossen haben, mit ihren Panzern über geparkte Autos fuhren und Nacht für Nacht auf die Wassertanks auf den Dächern schossen „um den Palästinensern Angst einzujagen“.


Die Initiative ist seit ihrer Gründung enormen Anfeindungen ausgesetzt, sie werden als Vaterlandsverräter, Nestbeschmutzer und Araber-Freunde beschimpft. Dennoch setzten sie ihre Arbeit fort; nicht nur, um die menschenverachtende Natur der Besatzung aufzudecken, sondern auch, um das kollektive Trauma, an welchem viele Israelis in Folge des Militärdienstes leiden zu überwinden.


Hebron gilt als Epizentrum des Nahostkonfliktes, nirgendwo sonst leben Siedler und Araber so dicht aufeinander, nirgendwo sonst ist die Anspannung und der Hass beider Seiten so unmittelbar zu spüren.

Die Stadt ist seit 1996 in zwei Zonen geteilt:

  • In H1, dem Teil, der unter palästinensischer Verwaltung steht, wohnen 120.000 Palästinenser.
  • In H2, dem Teil der unter israelischer Verwaltung steht, wohnen 30.000 Palästinenser und ca. 450 Siedler.


Um die derzeitige Situation besser zu verstehen, gibt es hier erst einmal einen kurzen historischen Überblick:

Hebron (hebräisch: Chevron, arabisch: Al-Khalil - beides bedeutet "Freund") ist eine der ältesten Städte der Region. Sie liegt ca. 20 Kilometer südlich von Jerusalem. Der Überlieferung nach soll Abraham, den sowohl Araber als auch Juden als ihren Stammvater ansehen, hier begraben sein. Über seinem Grab steht sowohl eine Moschee als auch eine Synagoge. Schon immer gab es in Hebron eine kleine jüdische Gemeinde.


1929 kam es zu Progromen gegen die ca. 30 jüdischen Familien der Stadt, nachdem sich das absurde Gerücht verbreitet hatte, Juden in Jerusalem hätten tausende von Moslems getötet. Über 67 Juden starben bei diesen Ausschreitungen, die Überlebenden wurden von der britischen Mandatsmacht nach Jerusalem umgesiedelt.


1936 lud der Bürgermeister von Hebron die jüdischen Familien ein zurück nach Hebron zu kommen – was diese verständlicherweise ablehnten.


1968 (also kurz nach dem Sechs-Tage-Krieg, in welchem das Westjordanland besetzt wurde) mietete sich eine kleine Gruppe von 33 orthodoxen Juden unter Leitung des schweizer Rabbis Mosche Levinger im Park Hotel in der Altstadt ein. Erst hiess es, sie blieben nur über das Pessach-Fest, doch nach dem Fest verkündeten sie, sie werden „bis zur Rückkehr des Messias“ in Hebron bleiben.


1970 wurde die erneute jüdische Präsenz in Hebron nach anfänglichen Vorbehalten seitens der israelischen Regierung gebilligt und legalisiert.


Zwischen 1970 und 1972 errichteten die Siedler die bis heute bestehende Siedlung Qiryat Arba, angeblich um die historische jüdische Präsenz in Hebron wiederherzustellen.


1979 besetzte eine Gruppe von Siedlerinnen um Miriam Levinger (die Frau des Rabbi Levingers) das ehemalige jüdische Krankenhaus der Stadt.


1980 entschied der oberste Gerichtshof Israels, dass die Siedlung in Hebron illegal sei und geräumt werden müsse. Rabbi Levinger erschoss einen palästinensischen Ladenbesitzer als er durch Luftschüsse arabische Jugendliche vertreiben wollte. Kurze Zeit später wurden in Hebron sechs Siedler von einem Palästinenser erschossen. Als Reaktion darauf wurden in den folgenden sechs Jahren vier weitere Siedlungen in der Stadt gegründet.


1994 Am 25. Februar 1994 verübte der US-amerikanische Arzt Dr. Baruch Goldstein ein Massaker in der Ibrahim-Moschee. Während des Freitagsgebets im Fastenmonat Rammadan war die Moschee stark besucht. Goldstein schoss mit seinem Galil Sturmgewehr drei Magazine in die betende Menge und warf mehrere Handgranaten ins Innere der Moschee. 29 Palästinenser starben, über 120 wurden verletzt. Goldstein selbst wurde überwältigt und gelyncht. Sein Grab ist heute ein Wallfahrtsort für radikale Siedler. Die Inschrift auf seinem Grabstein lobt ihn als Märtyrer für den jüdischen Anspruch auf Hebron.

Bei den landesweiten Unruhen nach dem Massaker kamen 30 weitere Palästinenser zu Tode.
Das geistliche Oberhaupt der Siedlerbewegung in Hebron, Rabbi Levinger, sagte nach dem Goldstein-Massaker:

"Das Töten von Fremden ist akzeptabel und auch willkommen,
um die jüdische Renaissance im versprochenen Land zu fördern."


1996 wurde die Stadt zweigeteilt. H1 (unter palästinensischer Verwaltung) macht ungefähr 80% der Stadt aus. Dort leben 120.000 Palästinenser. In H2 (unter israelischer Verwaltung) leben 30.000 Palästinenser und ca. 450 Siedler, die meisten von ihnen Kinder. 1200 Soldaten sind in H2 stationiert, um die Siedler zu schützen. Laut geltender Rechtslage haben Soldaten der IDF keine Handhabe gegen israelische Staatsbürger vorzugehen. Selbst wenn militante Siedler Palästinenser angreifen oder – was auch bereits vorgekommen ist – wild um sich schiessen, kann das Militär nicht gegen sie vorgehen. Ihre einzige Aufgabe ist es, die Siedler zu schützen - nicht jedoch andere Menschen vor den Siedlern zu beschützen.


Ende 1996 veröffentlichten 25 Nachkommen der jüdischen Familien aus Hebron einen offenen Brief in der Ha’aretz, in dem sie um des Friedens Willen ein Ende der Siedlungen fordern:


We, the descendents of the families of Hebron’s ancient Jewish community, sons, grandsons and greatgrandsons of the Jews who lived in the city for hundreds of years - want peace.

PEACE FOR THE CITY, PEACE FOR ISRAEL

Now, when the city of our fathers and forefathers is in the eye of a storm threatening to explode the political process and to destroy the prospects of peace, we feel an obligation to say what is in our hearts.

Settlers living in Hebron’s heart do not have the right to speak in the name of the old Jewish community, and their pretensions to be following the path of our fathers is a deceit and deceiving. They are alien to the culture and way of life of the Hebron Jews, who in the course of generations created a heritage of peace between peoples and understanding between faiths.

The settlers who have taken possession of Jewish property in the heart of Hebron and made it theirs, have done thievish work. No one granted them the right that is not theirs, to be the heirs of our fathers, no matter if we speak of private property or community property. And they intend to add sins to their crimes and to possess other lands and structures.

HEBRON WILL DECIDE FOR GOOD OR EVIL

Therefore the government must evacuate the handful of settlers from the city at once, before they succeed in exploding the peace process and destroying the prospects of peace.



Seitdem kommt es in Hebron immer wieder zu Zusammenstößen zwischen jüdischen Siedlern und Palästinensern. Palästinensische Scharfschützen schrecken nicht davor zurück, auch Kleinkinder zu erschießen; die Siedler wiederrum hetzen ihre Kinder auf, um Palästinenser zu attackieren - wohlwissend, dass die Polizei gegen Minderjährige keine Handhabe hat.



Soweit die Geschichte...

Wir fuhren von Jerusalem aus mit einem Bus in den israelisch kontrollierten Teil der Stadt. Doch schon beim Eingang in eine der jüdischen Vorort-Siedlungen begannen die ersten Probleme. An den Einfahrten sind Siedler stationiert, die den Zugang zu ihrer Siedlung kontrollieren. Und die weigerten sich beharrlich, unsere Gruppe hinein zu lassen. Die Organisatoren riefen die israelische Polizei, die dann durchsetzte, dass wir die Siedlung betreten dürfen.


Yehuda, einer der Mitbegründer, führte und dann ausgehend vom Grab des Patriarchen quer durch H2 und erzählte von seiner Zeit als Soldat in der Stadt. In den Jahren 2001 und 2002 gab es insgesamt 500 Tage Ausgangssperre in H2. Allerdings nur für die arabischen Bewohner. Er erzählte, dass es während der Intifada zu den Aufgaben der Soldaten gehörte rund um die Uhr Häuser zu stürmen und zu durchsuchen. Nicht auf Grundlage von Geheimdienstinformationen, sondern nur um Präsenz zu zeigen...


Die Hauptstrasse, einst blühendes Geschäftszentrum der Stadt, ist heute menschenleer.


Die Straße wurde 1994 komplett dicht gemacht, alle Bewohner mussten ihre Häuser verlassen. Während der Al-Aqsa-Intifada hat das Militär über 2.000 Geschäfte in Hebron geschlossen. Die Türen wurden versiegelt und zugeschweisst, um sicher zu stellen, dass sie nicht wieder eröffnet werden. Allein in der Gegend um das jüdische Krankenhaus wurden 120 Geschäfte vom Militär geschlossen. "Aus Sicherheitsgründen" versteht sich.


Als es einigen Ladenbesitzern gelang, dagegen vor israelischen Gerichten zu klagen (das ist einer der wenigen Vorteile für Palästinenser, die unter israelischer Verwaltung leben – sie können klagen) machte sich das Militär nicht einmal die Mühe, die Schliessung zu verteidigen oder zu begründen, sie wussten genau, dass dies ausichtslos wäre, da die Schliessungen willkürlich als Akt der kollektiven Bestrafung gegen die Bewohner durchgeführt wurde. 111 der 120 Geschäfte erhielten von dem Gericht die Erlaubnis wieder zu öffnen.


Wegen der Massnahmen des Militärs und den ständigen Anfeindungen durch die Siedler haben seit 1996 43 % der in H2 lebenden Palästinenser den Stadtteil verlassen und sind nach H1 gezogen. Die Stadt ist gespenstisch leer, nur Soldaten und hin und wieder ein Siedler sind zu sehen.

Während dem gesamten Rundgang begleiteten uns Soldaten und Polizisten. Ob zu unserer eigenen Sicherheit oder um uns zu kontrollieren wurde nicht so ganz klar...


Der Gemüsemarkt von Hebron wurde vor einigen Jahren komplett geschlossen, die Geschäfte teilweise niedergerissen. Dort befindet sich jetzt ein Parkplatz für die Autos der Siedler. Die Übergänge zu H1 sind durch Betonsegmente und Stacheldraht versperrt.

Es gibt einige wenige Checkpoints, die man allerdings nur zu Fuss überqueren kann. Palästinenser, die in H2 leben, dürfen nicht mit dem Auto in ihren Stadtteil. Besuch können sie nur von Verwandten ersten Grades bekommen, die sich vorher beim Militär um eine Permission bemühen und dann vom Gastgeber an den Checkpoints identifiziert und abgeholt werden müssen.

Zwei Anwohner auf dem Weg zu ihrem Haus


Die Strassen in unmittelbarer Nähe der Siedlung Qiryat Arba sind für Araber verboten. Anwohner gelangen nur über die Grundstücke ihrer Nachbarn zu ihren Häusern. Die Siedlung Qiryat Arba selbst besteht aus einer Hand voll Wohncontainern, die auf Stelzen über einer Ausgrabungsstelle stehen.

Die Wohnhäuser, die direkt darunter liegen, werden von den Siedlern regelmässig mit Steinen, Flaschen und Müll beworfen.


Siedler haben wir nur sehr wenige zu Gesicht bekommen, was vielleicht auch besser ist. Yehuda erzählte, dass die Gruppen, die er durch die Stadt führt, um ihnen den ganzen Wahnsinn, der hier betrieben wird zu zeigen, schon mehrfach angegriffen wurden.


Ein Siedler wird von einem Miliär-Jeep durch die menschenleere Shuada Street eskortiert


Beim Verlassen der Stadt musste unser Bus kurz warten, um Krankenwagen, Polizei und Militär durchzulassen. Von einem Polizisten erfuhren wir, dass auf der Straße zwischen Jerusalem und Hebron ein Siedlerauto beschossen wurde und es zwei Verletzte gäbe. Alltag in Hebron. Und einen Ausweg aus dem Kreislauf der Gewalt ist nicht in Sicht...



Links:

Artikel im Spiegel

Artikel in einem jüdischen Web-Portal

„An Introduction to Hebron“

Website der Siedler in Hebron

Tel Rumeida Project

Sonntag, März 5

Ausflug nach Qalqiliya

Ramallah, 3. März 2006

Wie beinahe jeden Samstag war heute wieder Ausflugstag. Samstage eignen sich ganz hervorragend für längere Überlandfahrten, weil wegen dem Sabbat nur die Hälfte der Checkpoints in Betrieb ist und man dementsprechend halbwegs zügig voran kommt.

„Qalqiliya? Bist du dir sicher, dass du nach Qalqiliya willst? Oder meinst du Qalandya?“
fragt mich der Taxifahrer. Doch, doch schon richtig, heute will ich nach Qalqiliya. Die Stadt liegt im nördlichen Teil der West Bank direkt an der grünen Linie, also der „Grenze“ zu Israel. Was ein Europäer dort will ist allen Mitfahrern im Taxi ein Rätsel.

Die Stadt ist umgeben von jüdischen Siedlungen, südlich der Stadt befindet sich Ariel, einer der größten Siedlungsblöcke. Die Mauer macht dort zwei große Bögen, wie zwei lange Finger ragt der Mauerverlauf tief in palästinensisches Gebiet hinein und verleibt so die großen Siedlungsblöcke (und die unterirdischen Wasserläufe) dem israelischem Kernland ein. Die Stadt Qalqiliya selbst wollte man natürlich nicht mit einverleiben, den schließlich geht es bei dem Bau der Mauer auch um eine endgültige Grenzziehung und um die Aufrechterhaltung der jüdischen Bevölkerungsmehrheit Israels.

Dummerweise hat sich Israel nämlich bei Staatsgründung entschlossen, eine jüdische Demokratie zu sein, da sind Araber natürlich hinderlich und werden nun mit Hilfe der Mauer wo es nur geht ausgeschlossen.

Der viel beschworene "jüdische und demokratische Staat" ist "demokratisch für die Juden und jüdisch für die Araber", diagnostizierte die Arbeitspartei-Abgeordnete Yael Dayan treffend.

(Yael ist - am Rande bemerkt - die Tochter von Moshe Dayan)

Deswegen ist die Stadt also jetzt komplett von der Mauer umrundet, 40.000 Menschen sind nicht nur von ihren Feldern und Gärten, sondern auch von Arbeitsplätzen und der sie umgebenen Infrastruktur abgeschnitten und im wahrsten Sinne des Wortes eingesperrt. Denn es gibt nur einen einzigen Eingang in die Stadt, ein acht Meter breites Stahltor an einem Checkpoint östlich der Stadt.

Wenn dieses Tor geschlossen wird, was hin und wieder „due to security measures“ geschieht, wird die Stadt zu einem gigantischen Freiluftgefängnis. In Südafrika nannte man solche abgegrenzte Wohngebiete „homelands“…


"I am a black South African, and if I were to change
the names, a des
cription of what is happening
in the Gaza Strip and West Bank
could describe events in South Africa."

(Erzbischof Desmond Tutu)


Auf dem Weg nach Qalqiliya passieren wir etliche Checkpoints, immer wieder stehen Militärjeeps an der Straße und kontrollieren Autos mit palästinensischen Nummernschildern. Die Hügelkuppen sind mit Fertighäusern mit roten Spitzdächern übersät, rundherum Zäune mit Scheinwerfern und in mitten all dem Wirrwarr von Siedlungen, Militärposten, palästinensischen Dörfern, normalen Straßen und Siedlerstraßen hüten Hirten ihre Schaf- und Ziegenherden.

An einer Kreuzung, wo eine kleine Straße zu einer Siedlung hinauf führt, stehen zwei Siedler mit umgehängten Maschinengewehren und winken den vorbeifahrenden Sammeltaxis. Ich frage mich, ob die allen Ernstes glauben, dass sie hier irgendjemand mit nimmt.

In Qalqiliya angekommen mache ich mich nach einem Kaffee und einem Plausch mit dem Café-Besitzer, der 5 Jahre lang in Chicago gelebt hat, auf einen Rundgang durch die Stadt. Man kann sie nicht wirklich als schön oder gar sehenswürdig beschreiben. Dennoch: ich finde, man muss auch die hässlichen Ecken eines Landes sehen.

Abgesehen von der Hauptstraße besteht die Stadt hauptsächlich aus ärmlichen Wohnvierteln mit engen Gassen und Grafitti-übersäten Wänden.

In den Gassen spielen Kinder Fußball oder schießen mit ihren Steinschleudern. Teilweise gibt es richtige Slums, in denen die Behausungen aus Brettern, Plastikplanen und Paletten bestehen. An vielen Häusern sind Ställe angebaut, in den Innenhöfen laufen Hühner und Schafe umher. Außerdem gibt es auffällig viele Pferde und Esel in der Stadt. Hafer ist eben immer noch preisgünstiger als Diesel.

Nachdem mich eine Gruppe Geistlicher in ihre Moschee eingeladen und mich dort ein halbe Stunde lang von den Vorzügen des Islams überzeugen wollten, konnte ich ihnen letztendlich verständlich machen, dass ich meine Religion nicht wie ein paar Schuhe wechseln kann, dass ich drüber nachdenken werde und im Falle eines Wunsches nach Konvertierung wiederkommen werde. Die Jungs waren felsenfest davon überzeugt, dass nur Moslems ins Paradies kommen und dass, ich, wenn ich nicht in der Hölle brennen möchte, jetzt die einmalige Gelegenheit hätte der einzig wahren Religion beizutreten.

Weil der Koran die Jüngste der Offenbarungsreligionen ist, seien die beiden anderen hinfällig geworden und die Christen sind einfach bei Jesus Christus stehen geblieben und haben verpasst, dass mit Mohammed noch ein Prophet nach ihm kam.

Zurück am Taxistand kam dann die böse Überraschung: Es war bereits halb 7 und ab 4 fahren keine Taxis mehr nach Ramallah. Nach langem Rumfragen und Auskundschaften alternativer Routen und Feilschen mit den Fahrern blieb mir dann nichts anderes übrig als ein Taxi für mich alleine zu bezahlen, also den 7-fachen Preis. Macht 150 Schekel (das sind ca. 27 €). Tscha, der Taxifahrer hat damit das Geschäft seines Lebens gemacht, aber meine Verhandlungsposition war denkbar schlecht: es war dunkel, ich musste nach Hause, denn in Qalqiliya gibt es keine Hotels.


Auf dem Rückweg wieder ewiges warten an flying Checkpoints. Am großen stationären Checkpoint südlich von Nablus kontrolliert uns ein junger Soldat mit aus bunter Wolle gehäkelter Kippa. Woher ich komme und wohin ich will, fragt er mich auf lupenreinem Englisch.

Dann, nach einem Blick in meinen Pass: „From Germany? What the hell are you doing here?“ Meine Antwort, dass ich zur Zeit in Ramallah wohne, verstärkt seine Fassungslosigkeit nur noch. Ob er denn schon mal in Ramallah gewesen sei, frage ich ihn, es sei nämlich eine sehr schöne Stadt. „Hell, no!“ lautet seine ebenso kurze wie eindeutige Antwort.

Ich würde mich ja liebend gerne mal länger mit einem Soldaten über seine Sicht der ganzen Situation hier unterhalten. Aber an den Checkpoints geht das nicht. Erstens ist die Zeit zu knapp und zweitens ist die Stimmung zu angespannt. Man kann sich da nicht von Mensch zu Mensch unterhalten, weil die Soldaten nicht in ihrer Funktion als Mensch, sondern als Vertreter der Besatzungsmacht auftreten. Privat mögen die bestimmt nette, aufgeschlossene und sympathische Typen sein, aber in Uniform und mit einer M-16 in der Hand sind sie Bestandteil einer aggressiven Militärmacht.



Links:

Israelische Homepage, die so tolle Sachen wie Transfer aller Araber in die saudische Wüste und Wahlrecht nur für Juden fordert:

"So how does Israel put a stop to the explosive Israeli Arab population growth? The same way one puts a stop to a growing cancer… REMOVE IT. "


Artikel von Desmond Tutu über seine Reise durch Israel und Palästina:

"I've been very deeply distressed in my visit to the Holy Land; it reminded me so much of what happened to us black people in South Africa. I have seen the humiliation of the Palestinians at checkpoints and roadblocks, suffering like us when young white police officers prevented us from moving about."



Donnerstag, März 2

Interview mit Ismael Haniyeh


Ramallah, 1. März 2006

Gestern erschien in der Washington Post ein Interview mit dem frisch gewählten palästinensischen Premierminister Ismael Haniyeh.

Zwar glaube ich nicht, dass der meinen Blog liest, dennoch fand ich es erstaunlich, dass er viele meiner Argumente teilweise wortgetreu verwendet hat. Heißt das jetzt, dass ich auf einer Linie mit der Hamas liege? Oder doch nur, dass an den Argumenten irgendwie was dran ist? Wie dem auch sei, interessant ist doch vielmehr, dass sich jetzt, 4 Wochen nach den Wahlen, die anfänglich Hysterie gelegt hat und allmählich durch Pragmatismus ersetzt wird.


So sind sowohl die USA, als auch die EU mittlerweile zu der Einsicht gelangt, dass ein Einstellen der Hilfsgelder nicht die neue Regierung, sondern die ohnehin schon Not leidende Bevölkerung treffen würde und den Radikalen nur noch mehr Zulauf bescheren würde. Und diese für ihre demokratische Entscheidung zu bestrafen ist dann doch nicht im Sinne der Demokratie-Exporteure.
"Ein Versuch, das palästinensische Volk auszuhungern, wird gegen uns arbeiten und die Hamas stärken", warnt Amir Peretz, Vorsitzender der oppositionellen israelischen Arbeiterpartei.

Also gibt es jetzt doch Geld.

Schöne Einsicht. Haben alle Menschen mit einem Funken Verstand zwar schon vor 4 Wochen gesagt, aber lieber spät als nie…

Das offizielle Israel ist natürlich sauer, dass es überhaupt irgendjemand wagt, der "Terrorbehörde" Geld zu überweisen und hat den USA gedroht. Mit was denn, frage ich mich? Wenn ihr denen jetzt doch wieder 244 Millionen Dollar im Jahr gebt, dann sind wir beleidigt und wollen eure 3 Milliarden Dollar nicht mehr ?!? Israel kann froh sein um die internationale Unterstützung der Palästinenser, denn ohne die würde die gesamte PA zusammenbrechen und es gäbe wirkliches Chaos. Und das kann auch nicht im (Sicherheits-) Interesse Israels liegen.

Also lassen sie andere zahlen und behalten die palästinensischen Zolleinnahmen, die der PA vertraglich zustehen, kurzerhand ein. Die palästinensischen Exporte (Blumen, Gemüse und Obst) müssen nämlich über Israel ausgeführt werden, Israel kassiert dabei die Steuereinnahmen und Zölle in Höhe von monatlich etwa 40 Millionen Euro. Diese Einnahmen machen rund ein Drittel des Etats der PA aus und werden nun einfach nicht mehr an die Autonomiebehörde weiter geleitet. Weil Blumenexporteure denn Terror fördern, oder was?



Hier erst mal einige Auszüge aus dem Interview mit Ismael Haniyeh:

Präsident Abu Mazen und die internationale Gemeinschaft haben Bedingungen aufgestellt, um mit der Hamas zu verhandeln: 1) Israel anerkennen; 2) sich an bestehende Vereinbarungen (…) halten; 3) der Gewalt abschwören. Werden sie diesen Bedingungen zustimmen?

Wir sind überrascht, das solche Bedingungen an uns gestellt werden. Warum richten sie solche Bedingungen und Fragen nicht an Israel? Hat Israel Vereinbarungen eingehalten? Israel hat praktisch alle Vereinbarungen gebrochen. Wir sagen: Lass Israel zuerst die legitimen Rechte der Palästinenser anerkennen und dann werden wir diesbezüglich Stellung nehmen. Welches Israel sollen wir anerkennen? Das Israel von 1917; das Israel von 1936; das Israel von 1948; das Israel von 1956; oder das Israel von 1967? Welches Israel und welche Grenzen? Israel muss zuerst den palästinensischen Staat und dessen Grenzen anerkennen und dann werden wir wissen worüber wir reden.

Fühlen sie sich (…) Oslo verpflichtet?

(…) Oslo besagte, dass ein palästinensischer Staat bis 1999 gegründet werden sollte. Wo ist dieser palästinensische Staat? Hat Oslo Israel das Recht gegeben die West Bank wieder zu besetzen, die Mauer zu bauen, die Siedlungen zu erweitern und Jerusalem zu judaisieren, es komplett jüdisch zu machen? (…)

Welche Vereinbarungen werden sie einhalten?

Diejenigen die die Errichtung eines palästinensischen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt mit ´67er Grenzen garantieren – und Vereinbarungen, die Gefangene frei lassen.

Würde die Hamas Israel anerkennen, wenn es sich auf die Grenzen von 1967 zurückziehen würde?

Wenn Israel sich auf die Grenzen von ´67 zurückzieht, dann werden wir schrittweise einen Frieden herbeiführen.

Werden sie Israel anerkennen?

Wenn Israel erklärt, dass es den Palästinensern einen Staat und ihnen ihre Rechte zurückgeben wird, dann sind wir bereit es anzuerkennen.


Im Rest des Interviews hat Haniyeh eigentlich nur ununterbrochen mantra-artig wiederholt, Israel müsse erste Schritte tun, seine Regierung könne gar nicht machen. Klar sind sie in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt, aber so macht er sich´s doch sehr einfach.

Andererseits: was er fordert, nämlich den Rückzug der Israelis auf die Grenzen von ´67, ist nicht mehr und nicht weniger als die UN-Resolution 242 auch fordert. Allerdings vergeblich... Es ist doch schon erstaunlich, dass eine angebliche Terrororganisation in ihren Forderungen auf einer lInie mit den Vereinten Nationen liegt. Ywar ist das Recht auf ihrer Seite, aber keine von beiden finden Gehör.


Besonders amüsant fand ich Haniyehs Einschätzung, die Hamas sei nicht nur wegen der Korruption innerhalb der Fatah, sondern wegen ihrer religiösen Ausrichtung und vor allem wegen ihrem Programm gewählt worden.


Eine Umfrage vom Jerusalem Media & Communication Center zeugt vom exakten Gegenteil. Die Leute, die die Hamas gewählt haben, haben sie trotz und nicht wegen ihrer Religiosität gewählt.

Bei 43% der Hamaswähler war die Korruption ausschlaggebend, 18,8% war die Religiosität wichtig und gerade mal 11,8% ihrer Wähler hat die Hamas ihrem vagen politischem Programm zu verdanken.


Nach all der Politik nun noch was ganz anderes:


In Ramallah wurden in den letzten paar Wochen überall neue Buswartehäuschen aufgestellt. Was ziemlicher Quatsch ist, weil es in Ramallah keine Linienbusse gibt (naja, vielleicht werden die ja jetzt angeschafft, von all den doch fließenden Hilfsgeldern...). Die Dinger sind in einem modernen-minimalistisch-schwungvollem Design gehalten. Erinnert mich an irgend ein Tier, aber irgendwie fehlt was…


Zum Glück habe ich immer einen dicken Edding in der linken Jackentasche:




Eine handvoll Bushaltestellen habe ich schon umgestaltet, vielleicht schaffe ich es ja bis zum Ende meines Aufenthalts, alle Wartehäuschen in Freiluftgehege zu verwandeln...