Donnerstag, März 2

Interview mit Ismael Haniyeh


Ramallah, 1. März 2006

Gestern erschien in der Washington Post ein Interview mit dem frisch gewählten palästinensischen Premierminister Ismael Haniyeh.

Zwar glaube ich nicht, dass der meinen Blog liest, dennoch fand ich es erstaunlich, dass er viele meiner Argumente teilweise wortgetreu verwendet hat. Heißt das jetzt, dass ich auf einer Linie mit der Hamas liege? Oder doch nur, dass an den Argumenten irgendwie was dran ist? Wie dem auch sei, interessant ist doch vielmehr, dass sich jetzt, 4 Wochen nach den Wahlen, die anfänglich Hysterie gelegt hat und allmählich durch Pragmatismus ersetzt wird.


So sind sowohl die USA, als auch die EU mittlerweile zu der Einsicht gelangt, dass ein Einstellen der Hilfsgelder nicht die neue Regierung, sondern die ohnehin schon Not leidende Bevölkerung treffen würde und den Radikalen nur noch mehr Zulauf bescheren würde. Und diese für ihre demokratische Entscheidung zu bestrafen ist dann doch nicht im Sinne der Demokratie-Exporteure.
"Ein Versuch, das palästinensische Volk auszuhungern, wird gegen uns arbeiten und die Hamas stärken", warnt Amir Peretz, Vorsitzender der oppositionellen israelischen Arbeiterpartei.

Also gibt es jetzt doch Geld.

Schöne Einsicht. Haben alle Menschen mit einem Funken Verstand zwar schon vor 4 Wochen gesagt, aber lieber spät als nie…

Das offizielle Israel ist natürlich sauer, dass es überhaupt irgendjemand wagt, der "Terrorbehörde" Geld zu überweisen und hat den USA gedroht. Mit was denn, frage ich mich? Wenn ihr denen jetzt doch wieder 244 Millionen Dollar im Jahr gebt, dann sind wir beleidigt und wollen eure 3 Milliarden Dollar nicht mehr ?!? Israel kann froh sein um die internationale Unterstützung der Palästinenser, denn ohne die würde die gesamte PA zusammenbrechen und es gäbe wirkliches Chaos. Und das kann auch nicht im (Sicherheits-) Interesse Israels liegen.

Also lassen sie andere zahlen und behalten die palästinensischen Zolleinnahmen, die der PA vertraglich zustehen, kurzerhand ein. Die palästinensischen Exporte (Blumen, Gemüse und Obst) müssen nämlich über Israel ausgeführt werden, Israel kassiert dabei die Steuereinnahmen und Zölle in Höhe von monatlich etwa 40 Millionen Euro. Diese Einnahmen machen rund ein Drittel des Etats der PA aus und werden nun einfach nicht mehr an die Autonomiebehörde weiter geleitet. Weil Blumenexporteure denn Terror fördern, oder was?



Hier erst mal einige Auszüge aus dem Interview mit Ismael Haniyeh:

Präsident Abu Mazen und die internationale Gemeinschaft haben Bedingungen aufgestellt, um mit der Hamas zu verhandeln: 1) Israel anerkennen; 2) sich an bestehende Vereinbarungen (…) halten; 3) der Gewalt abschwören. Werden sie diesen Bedingungen zustimmen?

Wir sind überrascht, das solche Bedingungen an uns gestellt werden. Warum richten sie solche Bedingungen und Fragen nicht an Israel? Hat Israel Vereinbarungen eingehalten? Israel hat praktisch alle Vereinbarungen gebrochen. Wir sagen: Lass Israel zuerst die legitimen Rechte der Palästinenser anerkennen und dann werden wir diesbezüglich Stellung nehmen. Welches Israel sollen wir anerkennen? Das Israel von 1917; das Israel von 1936; das Israel von 1948; das Israel von 1956; oder das Israel von 1967? Welches Israel und welche Grenzen? Israel muss zuerst den palästinensischen Staat und dessen Grenzen anerkennen und dann werden wir wissen worüber wir reden.

Fühlen sie sich (…) Oslo verpflichtet?

(…) Oslo besagte, dass ein palästinensischer Staat bis 1999 gegründet werden sollte. Wo ist dieser palästinensische Staat? Hat Oslo Israel das Recht gegeben die West Bank wieder zu besetzen, die Mauer zu bauen, die Siedlungen zu erweitern und Jerusalem zu judaisieren, es komplett jüdisch zu machen? (…)

Welche Vereinbarungen werden sie einhalten?

Diejenigen die die Errichtung eines palästinensischen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt mit ´67er Grenzen garantieren – und Vereinbarungen, die Gefangene frei lassen.

Würde die Hamas Israel anerkennen, wenn es sich auf die Grenzen von 1967 zurückziehen würde?

Wenn Israel sich auf die Grenzen von ´67 zurückzieht, dann werden wir schrittweise einen Frieden herbeiführen.

Werden sie Israel anerkennen?

Wenn Israel erklärt, dass es den Palästinensern einen Staat und ihnen ihre Rechte zurückgeben wird, dann sind wir bereit es anzuerkennen.


Im Rest des Interviews hat Haniyeh eigentlich nur ununterbrochen mantra-artig wiederholt, Israel müsse erste Schritte tun, seine Regierung könne gar nicht machen. Klar sind sie in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt, aber so macht er sich´s doch sehr einfach.

Andererseits: was er fordert, nämlich den Rückzug der Israelis auf die Grenzen von ´67, ist nicht mehr und nicht weniger als die UN-Resolution 242 auch fordert. Allerdings vergeblich... Es ist doch schon erstaunlich, dass eine angebliche Terrororganisation in ihren Forderungen auf einer lInie mit den Vereinten Nationen liegt. Ywar ist das Recht auf ihrer Seite, aber keine von beiden finden Gehör.


Besonders amüsant fand ich Haniyehs Einschätzung, die Hamas sei nicht nur wegen der Korruption innerhalb der Fatah, sondern wegen ihrer religiösen Ausrichtung und vor allem wegen ihrem Programm gewählt worden.


Eine Umfrage vom Jerusalem Media & Communication Center zeugt vom exakten Gegenteil. Die Leute, die die Hamas gewählt haben, haben sie trotz und nicht wegen ihrer Religiosität gewählt.

Bei 43% der Hamaswähler war die Korruption ausschlaggebend, 18,8% war die Religiosität wichtig und gerade mal 11,8% ihrer Wähler hat die Hamas ihrem vagen politischem Programm zu verdanken.


Nach all der Politik nun noch was ganz anderes:


In Ramallah wurden in den letzten paar Wochen überall neue Buswartehäuschen aufgestellt. Was ziemlicher Quatsch ist, weil es in Ramallah keine Linienbusse gibt (naja, vielleicht werden die ja jetzt angeschafft, von all den doch fließenden Hilfsgeldern...). Die Dinger sind in einem modernen-minimalistisch-schwungvollem Design gehalten. Erinnert mich an irgend ein Tier, aber irgendwie fehlt was…


Zum Glück habe ich immer einen dicken Edding in der linken Jackentasche:




Eine handvoll Bushaltestellen habe ich schon umgestaltet, vielleicht schaffe ich es ja bis zum Ende meines Aufenthalts, alle Wartehäuschen in Freiluftgehege zu verwandeln...

1 Comments:

Anonymous Anonym said...

...dann musst du aber unter dem schnabel noch einen mund malen, sonst ist es kein asmus-vogel ;)

Freitag, März 17, 2006 5:27:00 PM  

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