Donnerstag, März 16

Neuer Checkpoint vor Ramallah

Ramallah, 16. März

Heute morgen auf dem gewohnten Weg ins Büro wurden der nette Typ, der mich mitgenommen hat, als ich am Straßenrand auf ein Taxi gewartet habe und ich plötzlich mit etwas ganz und gar nicht Gewöhnlichem konfrontiert:

Die israelische Armee hat es offensichtlich für nötig gehalten auf der Straße nach Ramallah einen zusätzlichen Checkpoint zu errichten. Inmitten des angeblich unter palästinensischer Hoheit stehendem A-Gebietes standen drei Jeeps und eine handvoll Soldaten, kontrollierten penibel Pässe und durchsuchten Autos.

Dadurch entstand natürlich ein gewaltiger Stau in beide Richtungen, den viele Autofahrer einfach umgingen, indem sie erst ein Stück zurück und dann einen holprigen Feldweg um den Checkpoint herum fuhren.

Mein Fahrer tat es ihnen gleich und wir kamen nach diesem kleinen Umweg auf der anderen Seite des Checkpoints, keine 50 Meter entfernt von den Armeejeeps wieder auf die eigentliche Straße.

Die Soldaten haben das ganze logischerweise gesehen und mitbekommen, dass ein Großteil der Autos nicht über ihren provisorischen Checkpoint, sondern eben außenrum fährt. Dagegen gemacht haben sie aber nichts. Was mal wieder beweist, das es sich dabei um eine Demonstration der Stärke und nicht um eine sicherheitsrelevante Maßnahme handelt.

Mit dem Eindringen in die Stadtgrenzen von Ramallah wollen zeigen, wer hier das eigentliche Sagen hat. Es ist eine kollektive Bestrafung und Demütigung der Bevölkerung, weiter nichts.

Niemand soll mir erzählen es ginge dabei um "Sicherheit" oder darum "Terroristen zu fangen" und "Waffenschmuggel zu unterbinden". Wer was zu verheimlichen oder befürchten hätte, würde - wie hunderte von anderen - einfach außenrum fahren und kein Soldat würde in seinen Pass oder Kofferraum gucken.

Es ist wirklich erstaunlich, was hier alles als Sicherheitsmaßnahmen verkauft wird. Es ist absolute Augenwischerei und nicht zuletzt auch mächtig Wahlkampfgetöse, denn am 28. März wird in Israel gewählt. Seit der Militäraktion in Jericho vorgestern und den verstärkten Maßnahmen der letzen Tage sind Olmerts Umfragewerte in die Höhe geschossen und alle Partein, sogar der Likud unterstützen in plötzlich. Und weil sich die Wählerschaft in Zeiten von Krisen immer hinter den Machthabern versammeln, hat der Verteidigungsminister Mofaz heute angekündigt, die Armee werde ihre Aktionen noch verstärken.


Desweitern hat die Luftwaffe heute Gaza bombardiert, Soldaten sind in Jenin einmarschiert und in einem Dorf in der Nähe von Ramallah wurde ein 12 jähriger Junge erschossen und drei weitere Kinder verletzt.

Tscha, wie man sieht: ein ganz normaler Tag in einem besetzten Land, dessen Besatzungsmacht gerade im Wahlkampf ist. Der Likud hat übrigens vor Kurzem versucht die Vereinigte arabische Liste von der Wahl auszuschließen, weil sie "die jüdische Identiät Israels in Frage stellt".

Ja heilige Schieße! So was aber auch! Was fällt denen auch ein, einfach mal eben so keine jüdische Politik, sondern einfach nur Politik machen zu wollen!

Mal im Ernst: Wie kann man von einer arabisch-israelischen Partei verlangen, sie solle den jüdischen Charakter des Staates respektieren. Es gibt nun mal 20% Araber im Kernland Israel. Diese Tatsache muss man entweder anerkennen oder die Demokratie abschaffen. Eins von beiden. Aber den jüdischen Charakter bewahren und gleichzeitig demokratisch sein, dass klappt irgendwie nicht...

Das Gericht hat diesem absurden Antrag zum Glück nicht stattgegeben, die Liste darf an den Wahlen teilnehmen und die 1,3 Millionen Palästinenser mit israelischem Pass haben die Möglichkeit, eine Partei zu wählen, die ihre Interessen vertritt. Und man bekommt man einen guten Eindruck vom Demokratieverständis des Likud Blockes...


Soviel für heute, die Lage in Ramallah ist absolut entspannt, der Generalstreik ist aufgehoben, alle Entführten Ausländer sind frei und ich fahr jetzt nach Hause, mal gucken ob die Herren in Grün immer noch da sind...

Neulich habe ich mich übrigens das erste mal länger und ausführlich mit drei israelischen Soldaten unterhalten. Abends, am Huwwara-Checkpoint am südlichen Ausgang von Nablus. Die waren total geschockt mich da zu sehen. Was ich in Nablus gemacht hätte, ob ich wirklich durch das Balata-Flüchtlingslager gefahren sei, warum ich überhaupt hier bin, anstatt mir Tel Aviv oder Jerusalem anzuschauen und und und...

Ich habe ihnen gesagt, dass ich schon zig mal in Jerusalem war und ich mir nun Nablus anschaun wollte. Die Leute dort sind extrem nett und gastfreundlich, ich wurde mehrmals zum Tee eingeladen, bin durch die Altstadt geschlendert, hab ein paar Sachen gekauft, war oben auf dem Berg, wo die samariterischen Juden ihr Heiligtum haben. Und das alles ohne erschossen zu werden.

Ob sie denn schon mal da waren und sich die Stadt angeschaut haben?

NEIN! DA WIMMELT ES VOR TERRORISTEN!

Ich hab sie unter anderem gefragt, wie der Job am Checkpoint denn so ist und sie meinten, man gewöhnt sich dran, mit der Zeit bekäme man ein Gespür dafür, wer gefährlich ist und wer nicht. Erst heute hätten sie einen Jungen mit einem Taschenmesser erwischt.

Ganz schön gefährlich für eine Gruppe von Soldaten mit Helmen, kugelsicheren Westen und stets schußbereiter M16...




Leseempfehlung:

Soldaten im Wahlkampf

2 Comments:

Anonymous Anonym said...

Uhu Asmus! Zufälle gibts,...da recherchiere ich für nen Essay für Fundamentaltheologie und finde...dich! Grüße aus Freiburg!

Donnerstag, März 16, 2006 11:03:00 PM  
Anonymous Anonym said...

was issn jüdische politik??? man asmus, reiss dich ma am riemen ey! und wegen wahlkampf - lies ma irgendne zeitung aus irgendnem land in der welt und dir wird auffallen dass die alle austicken - siehe rätselfragen für einwanderungswillige in der brd. kritik schön und gut, aber du driftest langsam so'n bisschen ab. und reg dich zur abwechslung auch mal darüber auf dass keiner in unserer "freien" welt den mumm hat dem ganzen grenzen zu setzen.

Donnerstag, März 23, 2006 5:34:00 PM  

Kommentar veröffentlichen

<< Home