Freitag, Januar 20

Verschwoerungstheorien, Ausflug nach Jericho und Stretchlimousinen

Ramallah, 20. Januar 2006

In Palaestina wird nicht nur das alltaegliche Leben und das Bedienen der Hupe etwas emotionaler gehandhabt als in Mitteleuropa, sondern auch der Wahlkampf. Da ist es mit Infostaenden in den ohnehin nicht vorhandenen Fussgaengerzonen nicht getan; Kugelschreiber verteilen habe ich auch noch niemanden gesehen.

Was es hingegen reichlich gibt sind ist zum einen extrem gezuckerter Tee (ich muss echt auf mein Zahnschmelz aufpassen!) und zum anderen die verschiedenste Verschwoerungstheorien, die ungefragt an mich herangetragen werden und sich wahlweise (haha, wie passend!) mit den Wahlen, den angeblich gar nicht stattfindenen Wahlen, der Rolle der USA in der Welt- und Nahostpolitik, juedischen Kaffehaeusern im Wien der 1920er Jahre oder dem Mossad beschaeftigen. Oder mit allem zusammen. Hauptsache man kann Unplausibles plausibel erklaeren und das Weltjudentum und der CIA haben irgendwie ihre Finger mit im Spiel...

Der Wahlkampf geht gerade in seine heisse Phase, die dichte der Plakate ist noch mal ordentlich gestiegen und neulich Nacht scheint ein ganzer Trupp Hamasianer durch die Stadt gezogen zu sein, jedenfalls weht seit einigen Tagen von jedem Strassenschild, von jedem Baum und jeder sonst irgendwie erdenklich und mit einer Leiter zugaenglichen Stelle die gruene Flagge dieser religioes-politisch-karitativen-terroristischen Vereinigung, die jetzt erstmals an den Wahlen teilnimmt und den Umfragen nach zwischen 25 und 35 % bekommen wird, in manchen Wahlkreisen, wie z.B. Gaza-Stadt auch um die 100 %.


Was meine persoenliche Rolle bei den ersten Parlamentswahlen seit 1996 (danach konnten sich Israel und die PLO nicht auf die Formalitaeten einigen, dann kam die Intifada dazwischen und Wahlen hatten sich ohnehin eruebrigt...) angeht, so werde ich am 25. Januar als Wahlbeobachter durch die Gegend fahren und schauen, ob auch alles nach fairen, freien, demokratischen Standards ablaueft und darueber wachen, dass niemand im Wahlbuero raucht oder seine Kalaschnikov mit rein nimmt. Denn beides ist laut Info-Broschuere der Wahlkommision verboten...

Die letzten Tage war Uwe, ein Freund aus Berlin da. Er war die letzten 4 Monate in einem Kibbutz und wollte die Gelegenheit nutzen sich mal das Leben auf der anderen Seite der Mauer anzugucken. Es tat gut, mal wieder ausgiebig in der Muttersprache sprechen zu koennen und wir haben dies bei stundenlangen Diskussionen ueber die grossen und kleinen Probleme dieses Planeten auch ausgiebig getan.

Gestern haben wir dann einen Tagesausflug nach Jericho am toten Meer unternommen. Gemaess meiner Karte sollte es eine direkte Strassenverbindung von Ramallah nach Jericho geben, aber irgendwie haben wir eine andere, leicht kompliziertere Route genommen.

Taxi zum Qalandya Checkpoint, rueber auf die "israelische" Seite, dort lange gewartet, bis genuegend Leut im Taxi waren.


Dann durch die Berge immer weiter runter geschlaengelt, von 850 auf -300irgendwas Hoehenmeter. Irgendwann passiert man den Markierungsstein der den Meeresspiegel anzeigt und dann geht es weiter bergab. Dann wieder ueber einen Checkpoint, den die Stadt Jericho ist A-Gebiet, untersteht also palaestinensischer Verwaltung, das gesamte Jordantal ist jedoch C-Gebiet, untersteht also israelischer Zivil- und Sicherheitsverwaltung.
Jericho selbst ist - nach dem derzeitigen Stand der Archeologie - die aelteste Stadt der Welt. 10000 Jahre alt. Sieht aber alles ziemlich neu aus. Sogar nagelneue Fahrradstaender haben die da, wahrscheinlich fuer die Fahhraeder.
Denn die gibt es dort, im Gegensatz zu Ramallah wirklich...



Jericho ist eine Oasen-Stadt inmitten der Wueste. So richtig mit Palmen und allem Pipapo. Fuer Touristen gibt es sogar ein Quoten-Kamel. Desweitern gibt es in Jericho jede Menge altes Gestein, einen 2000 Jahre alten Baum, auf den Jesus mal raufgeklettert sein soll. Um naeher an Gott zu sein oder um sich einen Ueberblick zu verschaffen oder was weiss ich. Dann waere da noch die Hoehle der Versuchung zu nennen, in der Jesus 40 Tage lang gefastet hat (das heisst er hat sich vegan ernaehrt) und der Satan in insgesamt drei mal in Versuchung gefuehrt hat.

Und suche mich nicht in der Unterfuehrung!


Von den Sehenswuerdigkeiten haben wir den Grossteil ausgelassen und sind einfach ein paar Stunden durch die doch recht kleine Stadt und ihr Umland geschlendert und haben den Ausblick auf das gruene Jordantal und die von der Abendsonne angestrahlten jordanischen Berge genossen, die sich auf der oestlichen Seite des Jordangrabens auftuermen.
Es war eine echter Klimaschock, von der regnerischen Kaelte in Ramallah nach weniger als einer Stunde Fahrt ( Luftlinie sind das etwa 35 km) hier in dieser warmen, sonnigen, palmenueberwucherten Oase anzukommen.



Zurueck in Ramallah haben wir dann festgestellt, dass es hier im Gegensatz zu Deutschland jede Menge Stretchlimousinen mit drei Tueren auf jeder Seite gibt. Und die sind nicht etwa zum standesgemaessen Transport von B-Prominenz gedacht, sondern fungieren als normale Sammeltaxis.

Uwe vermutet, sie seinen von Mercedes speziell fuer die Beduerfnisse von kinderreichen arabischen Grossfamilien gebaut und exportiert worden, ich hingegen glaube ja, dass sie als offizielles Transportmittel der Abu-Ali-Mustafa-Mehrtuerer-Brigaden gedacht sind...

1 Comments:

Anonymous Anonym said...

hi asmus,

kleine korrektion - nicht jesus soll den baum raufgekrochen sein sondern einer seiner bewunderer als jesus vorbei kam. der bewundere war angeblich zu klein und wollte vom baum über die staunende masse hinwegsehen. daraufhin soll sich der begründer des christentums angeblich mit dem halbwüchsigen ausgetauscht haben und ein paar tage mit ihm in seiner spärlichen hütte verbraucht haben. aber das nur am rande...

Sonntag, Januar 22, 2006 8:33:00 PM  

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